Inhaltsverzeichnis:

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1. Die Quellenlage zur Königserhebung Ottos I. 3

2. Die Designation Ottos durch Heinrich I. 4

2.1. Das Frühstadium der ´Hausordnung´ 927 5

2.2 Die ´Hausordnung´ 929 5

2.3. Einbeziehung der Stämme in Heinrichs Entscheidung 7

2.4. Beurteilung dieser Nachfolgeregelung Heinrichs 8

3. Die Königserhebung Ottos I. im Jahre 936 9

3.1. Bekräftigung der Designation im Jahre 936 9

3.2. Die Wahl Ottos I. 9

3.2.1. Welche Kandidaten standen bei der Wahl zur Disposition ? 10

3.2.2. Vorverhandlungen vor der Wahl im Jahre 936 10

3.3. Die Königserhebung Ottos in Aachen 936 11

3.4. Handelte es sich um eine freie Wahl oder Akklamation ? 12

4. Auswirkungen der Königserhebung Ottos I. auf die folgende Zeit 13

Literaturverzeichnis: 14

Primärliteratur/ Quellen: 14

Sekundärliteratur: 14

1. Die Quellenlage zur Königserhebung Ottos I.

Da die Quellenlage zur Königserhebung Ottos des Großen nicht besonders gut ist,  muß sich das meiste auf die Überlieferung von Widukind von Corvey gründen. Widukinds Aussagen sind mangels anderer Quellen oft nicht überprüfbar, was der Wissenschaft in diesem Bereich oft zu Spekulationen Anlaß gab; dies zeigt z.B. die divergierende Da ­tierung des entscheidenden Aktes der Königserhebung zwischen 927 und 936. Wie ist jedoch der Wahrheitsgehalt von Widukinds Sachsengeschichte einzustufen ?

Widukind war Mönch im Reichskloster Korvei, in das er im Alter von etwa 15 Jahren eintrat; er schrieb zuerst Heiligengeschichten, wendete sich jedoch bald der Profange ­schichte zu und schrieb die Rerum Saxonicarum libri III. F1 Als Motiv gibt er in devotio generis gentisque meae , die Ergebenheit gegenüber Sippe (Fürstenhaus) und Volk, an. F2 Es liegt es nahe, daß er Nachfahr des gleichnamigen Sachsenherzogs ist, somit ist auch eine » wohl entferntere Verwandtschaft [...] mit der Königin Mathilde« anzunehmen. F3 Er »hatte schon länger, keineswegs  unmittelbar oder in gleichmäßigen Abständen den Geschehnissen folgend, an seiner Sachsengeschichte gearbeitet« F4, die er wie allgemein angenommen erst um 968 abschloß. F5 Er widmete seine Werk Mathilde, die Tochter Ot ­tos I., so daß »der ursprüngliche Zweck des Werkes, die Sachsengeschichte, nunmehr in eine Geschichte des Fürstenhauses mit betont  höfisch- panegyrischer Tendenz um­geändert wurde.« F6,  Weiterhin wirft man ihm vor, sich mit weit zurückliegenden Ge ­schichten befaßt zu haben, von denen er kaum etwas genaues wissen konnte; so war er wahrscheinlich auch bei der Königserhebung Ottos  936 nicht persönlich dabei, sondern war auf Erzählungen angewiesen. F7

Im allgemeinen kann man Widukind »wenigstens mit einem gewissen Vorbehalt auch dort noch Glauben schenken, wo er allein stand und somit nicht direkt durch parallele Überlieferung kontrolliert werden konnte«. F8

Eine weitere Überlieferung, die den Ereignissen einigermaßen nahesteht, ist die Li ­udprandi antapodosis von Liudprand von Cremona, bei dem sicher zu sehen ist, daß er »hier die offizielle Darstellung des sächsischen Hofes wiedergibt« F9; dorthin hatte er sich geflüchtet, nachdem er seit 950 bei König Bengar, wo er sich aufhielt, in Ungnade gefallen ist. F10  Wie er zu Beginn des 4. Buches selbst  sagt, war er bei den Ereignissen nicht zugegen, sondern auf Erzählungen angewiesen; F11 desweiteren wird seine Be ­schränkung des Gesichtskreises und die mangelnden chronologischen Hinweise kriti­siert. F12

Auf andere Überlieferungen, die entweder nur kurz auf die Ereignisse eingehen oder zeitlich zu entfernt sind und Überreste wie z.B. Urkunden, die nur Zeitpunkte beleuch ­ten, wird im Text eingegangen.

2. Die Designation Ottos durch Heinrich I.

Die Designation ist Teil des Geblütsrechts: Dieses »wirkte am stärksten im legitimen Sohne, der potentiell am besten zum Thron legitimiert war, weil er am reichsten mit dem heilbringenden »Königsstoff« [...] ausgestattet war.« F13 Dieses Recht wird jedoch erst durch den Rechtsakt  ´Designation´  aktiv. Otto wurde de futuro designiert; d. h. er war kein Mitregent zu Lebzeiten des Vaters. F14

Die Designation Ottos ging der Königserhebung im Jahre 936 mehrere Jahre voraus.

»Daß Heinrich trotz der starken Stellung, die er als König seit der Mitte der 20er Jahre zusehends gewann, bis zu seinem nahen Ende gewartet haben soll, ehe er an die Nach ­folgeregelung ging, ist unwahrscheinlich, wenn man die karolingische Praxis selbst so­wie das Verhalten anderer nachkarolingischer Herrscher zum Vergleich heran­zieht.« F15 Auch bei Widukind lassen sich Anzeichen für eine Designation finden, die vor 936 stattgefunden hat; er erwähnt zu Beginn der Beschreibung der Königserhebung 936 » iam olim designatum regem a patre « F16, wobei das iam olim nach einer analogen For ­mulierung an anderer Stelle nur mit »schon längst« übersetzt werden kann, was auf eine offizielle oder halboffizielle Designation vor 936 hindeutet. F17 Die Designation, grün ­dend auf eine Urkunde des Jahres 929 F18  auch  ´Hausordnung´  genannt, kann jedoch  nicht als einmaliger Akt, sondern muß als langwieriger Prozeß verstanden werden, der bereits 927 beginnt und erst mit der Inthronisation 936 endet. F19

2.1. Das Frühstadium der ´Hausordnung´ 927

Die ´Hausordnung´ wurde bereits am 13. Mai 927 eingeleitet, da schon hier Otto einer Schenkung seines Vaters an seine Mutter Mathilde zugestimmt hat. F20 Otto wurde am 23. Nov. 927 bereits 15 Jahre alt und damit rechtswirksam handlungsfähig, so daß hier Heinrich durchaus an seine Nachfolgeregelung gedacht haben könnte. Gunther Wolf meint sogar, » daß die benedictio Ottos zum rex futurus schon Weihnachten 927 in Mainz anläßlich von Ottos Volljährigkeit stattfand, nicht erst anläßlich der Hochzeit bzw. der Hausbestellung im Herbst 929.« F21 Wolfs Begründung für die Annahme, daß bereits 927 die förmliche  benedictio vorgenommen wurde, erscheint sehr spekulativ, da er sich im wesentlichen nur auf die Volljährigkeit Ottos und auf dem Hoftag in Mainz Ende 927 stützt. F22

2.2 Die ´Hausordnung´ 929

Karl Schmid stellte 1964 die These auf, daß Heinrich I. seinen Sohn Otto bereits 929 offiziell zum Thronfolger gemacht habe; F23 hierbei beruft er sich hauptsächlich auf die ´Hausordnung´ von 929, ein Diplom, mit dem Heinrich I. seiner Gemahlin Mathilde ein Wittum zuwies und sein Haus »ordnungsgemäß bestellen« wollte (DH I 20). F24 Diese Wittumszuweisung »fand [...] in rechtlicher Form, in Gegenwart von königlichen fide ­les , mit Zustimmung und Beipflichtung des Königssohnes Otto und auf Bitten der Großen, von Bischöfen und Grafen statt. Sie trug mithin die Züge einer Regierungs ­handlung.« F25 So sollte die Königin für die Zeit nach dem Tode ihres Mannes gesichert werden, was offensichtlich nicht nur mit dem bevorstehenden Eintritt einer Schwieger ­tochter in das Königshaus zusammenhing, sondern vor allem mit der Tatsache, daß de­ren Gemahl zum künftigen König ausersehen war. F26 Nach Schmid war 929 also »die Abschichtung innerhalb des königliche Hauses bereits in vollem Gange«. F27  Die Thesen Schmids wurden im folgenden kontrovers diskutiert. Jedoch merkt Laudage an, daß man aufgrund der spärlichen Quellenlage »für die Existenz einer umfassenden Haus ­ordnung Heinrich I. allenfalls einen Indizienbeweis führen« F28 kann.

So kritisierte Hoffmann, daß die Vermählung mit Edgitha nicht zu Spekulationen über die Thronfolge berechtigt, da die Aussage von Hrothsvith von Gandersheim, » Ipse suo primogenito regique futuro Oddoni dignam iam disponsaret amicam, quae propriae proli digne posset sociari « F29, im Kontext und Anbetracht der Entfernung zu den Ereig ­nissen nicht dazu berechtigt, zu behaupten, daß es hier eindeutig um eine Heirat der Thronfolge willen handelt. F30 Jedoch kann eine eheliche Verbindung mit einer König ­stochter der stammverwandten Angelsachsen durchaus eine wichtige Legitimation be­deuten. F31

Ein Indiz dafür, wie umfassend die ´Hausordnung´  angelegt ist, könnte sein, daß »der jüngste Sohn König Heinrichs, Brun, im gleichen Jahre 929 im Alter von ungefähr vier Jahren der Kirche Utrecht übergeben worden« F32 war. Jedoch erscheint es verwunderlich gerade dies als Argument für die umfassende Thronfolgeregelung Heinrichs zu ver ­wenden, da Heinrich, der mittlere Sohn Heinrichs I., doch eher Otto die Thronfolge streitig machen kann, wie sich ja später zeigt. F33  Auf Heinrich geht Schmid jedoch nicht ein.

Ein weiteres wichtiges Argument für die ´Hausordnung´ ist die Tatsache, daß im Rei ­chenauer Gedenkbuch von den drei Königssöhnen einer, der älteste und spätere Thron­folger, Otto wie Heinrich und Mathilde den Königstitel: Otto rex erhält. F34

Die Datierung dieses Eintrags ist zwischen 928 und spätestens Anfang 930 anzusie ­deln. F35 Jedoch kann man daraus nicht schließen, daß »Otto  damals bereits offiziell (und mit Zustimmung der Großen des Reichs) zum Thronfolger designiert worden war, denn es gibt ähnliche Memorialzeugnisse, in denen ein Königssohn den gleichen Rang wie sein Va ­ter erhält, ohne daß  von einer Designation die Rede sein könnte. F36 Laudages Argument, daß sonst die Königssöhne in Verbrüderungslisten verfrüht den Titel rex er ­halten hät­ten, die ohnehin für die Nachfolge  im Königsamt vorgesehen waren, F37 be ­weist jedoch nicht, daß dies bereits mit Zustimmung der Großen, also offiziell,  ge­schehen sein muß; und daß »Heinrich  I. selbst sich 929 seinen ältesten Sohn Otto zum Nachfolger ge­wünscht hatte, ist nicht unwahrscheinlich.« F38  

Bemerkenwert ist das äußerst auffällige Itinerar Heinrichs I. in den Jahren 929/930. Der König brach 929  im Anschluß  an den Prager Feldzug zu einem Ritt durch das ganze Reich auf, wie er ihn vorher und nachher nicht unternahm. Er besuchte in dieser Zeit alle Stammesgebiete des Reiches ( Er reiste über Bayern nach Sachsen, von dort nach Alemannien und Franken, um über Lothringen wieder nach Sachsen zurückzukehren.) F39 und inmitten dieser Reise sind die Ordnung des Königshauses und die Vermählung des Königssohnes Otto zu datieren. »Diese Verbindung von Hausordnung und »Umritt« weist auf die Tragweite des Geschehens für das Schicksal des Reiches hin und spricht dafür, daß es mit den Herzögen abgesprochen war und in ihrem Einvernehmen erfolg ­te. F40

2.3. Einbeziehung der Stämme in Heinrichs Entscheidung

Die Frage inwieweit die Stämme in die ´Hausordnung´  eingebunden waren und mit ­entschieden bzw. zustimmten kann nicht eindeutig geklärt werden, ist aber ausschlag­gebend für die Gewichtung der Ereignisse in den Jahren 929/930, da ohne Einbezie­hung der Stämme wohl keine rechtmäßige Designation möglich war.

Die Forschung ist in diesen Bereichen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen gekom ­men:

So setzt Lintzel, sich auf Widukind berufend, voraus, daß  Ottos »Designation nicht bloß vor dem versammelten populus , sondern auch mit seiner Mitwirkung erfolgte. F41 Er geht sogar einen Schritt weiter, indem er behauptet, daß Heinrich zwar die Stellung des Königtums gefestigt hat, aber »so stark ist sie doch auch  um 936 nicht gewesen, daß der König einfach nach Gutdünken handeln konnte. Es gab kein Gesetz, das er selbst ­ständig erlassen, keine wichtige politische Entscheidung, die er allein treffen konnte: überall war er auf die Mitwirkung der Großen angewiesen.« F42 Dies deckt sich mit der Erkenntnis, daß Heinrich die Herzöge und ihre Sippen als gleichberechtigte Partner be ­handelte und Laudage daraus schlußfolgert: »Dies dürfte der Preis dafür gewesen sein, daß sie ihn als Haupt des Gesamtreiches anerkannten und seiner Nachfolgeregelung zustimmten«. F43 Jedoch berichten die Quellen auch darüber, wie Herrscher gezielt den Rat der Großen einholten, sich der Zustimmung versicherten oder auch Widerstrebende einschüchterten. F44 Dies hat Heinrich I. mit seinem großen ´Umritt´ durch das gesamte Reich in den Jahren 929/930 wahrscheinlich bereits getan. F45   »Denn man würde den König einfach unterschätzen, wenn man annehmen wollte, [...] der König habe sein Haus und seine Nachfolge betreffende Bestimmungen ohne die sichernde Zustimmung des Volkes, d.h. ohne die Beipflichtung der Großen des Reiches  vorgenommen.« F46

2.4. Beurteilung dieser Nachfolgeregelung Heinrichs

Rörig betont, daß die Nachfolgeregelung Heinrichs durchaus in den Anschauungskreis des Geblütsrechts gehört, wobei es um »ein Handeln aus einem ganz bestimmten, all ­gemein als verbindlich anerkannten Rechtsgefühl heraus« F47  handelt. Schon bei der De ­signierung Ottos hatte wohl das Prinzip der Sohnesfolge eine derart große Rolle er­reicht, »daß man diese Art der Erbfolge sowohl auf der Ebene des Königtums als auch auf der Herzogs- und Grafenebene als den Normalzustand betrachtete.« F48

Eine wichtige Neuerung in der Thronfolgeregelung Heinrichs, die viel zu wenig ge ­würdigt wird, ist die Thronfolge im Sinne der Individualsukzession, die 929 bereits be­schlossen gewesen sein muß, als Brun für den geistlichen Weg vorgesehen wurde.

»Und sie ist beschlossen und entschieden worden im Zusammenwirken des Königs mit den Großen des Reiches, auch wenn  die auf uns gekommenen Quellen davon expressis verbi nichts berichten. Das Itinerar Heinrichs I. in den Jahren 929/930 ist dafür Beweis genug.« F49 Die Abstimmungen mit den Großen in Bezug auf die Individualsukzession geschahen wahrscheinlich bei dem ´Umritt´  929/930, wobei mit Sicherheit bereits Otto als Nachfolger gehandelt wurde. F50 Jedoch sind die Beweise, die für eine offizielle Desi ­gnation im Jahre 929 sprechen, nicht aussagekräftig genug. F51 Außerdem werden zu Recht Bedenken aufgezeigt, wenn man beachtet, daß »Otto und Edgith zwischen 929 und 936 aus der Überlieferung verschwinden«, F52 was bei einem offiziell designierten Thronfolger seltsam erscheint. Wahrscheinlicher erscheint  - wobei ich mit Hoffmann konform gehe - eine halboffizielle Designation, also ein weiterer Schritt in dem lang ­wierigen Prozeß der ´Hausordnung´ Heinrichs I., die wohl auf dem ´Umritt´ mit den Großen des Reichs  abgestimmt wurde, jedoch nicht voll rechtskräftig war, da wahr­scheinlich keine  gemeinsame Zustimmung und Huldigung der Großen vorlag.

3. Die Königserhebung Ottos I. im Jahre 936

Die Königserhebung Ottos wird als »fortgesetzte Wahl« (Mitteis) oder als »Ketten ­handlung« (Rörig) begriffen, als eine Handlung, die zwei deutlich zu unterschiedende Akte umfaßt: »die Auswahl des Kandidaten« und die »förmliche Erhebung zum Kö­nig« (Schlesinger). F53 Hierbei sind jedoch alle Handlungen in bestimmten Teilen von ­einander abhängig, von der offiziellen Designation bis zur formellen Inthronisation in Aachen.

3.1. Bekräftigung der Designation im Jahre 936

Im Frühjahr 936, als sich Heinrich I. etwas von seiner Krankheit erholte,  ließ er sich von Bodfeld nach Erfurt bringen und berief hierher die Großen des Reiches. F54 Bei die ­sem Hoftag in Erfurt, wie man zumeist annimmt, sei die offizielle Designation Ottos zum Thronfolger vorgenommen worden. F55

3.2. Die Wahl Ottos I.

»Otto [...] im Juli 936, bald nach dem Tode des Vaters, an einem unbekannten Ort von Franken und Sachsen  gewählt«. F56 Nach Widukind wird als Ort der allgemeinen Wahl die Pfalz zu Aachen bestimmt. F57 Jedoch ist in der Zeit zwischen dem Tod Heinrichs und der Krönung in Aachen am 7. August, nur eine Versammlung wahrscheinlich, die dann die universalis electio, also die Krönung, in Aachen berief. F58 Außerdem ist eine vor ­herrschende Meinung, daß in dem omnes populus Francorum et Saxorum  bei Widu ­kind die Repräsentation aller Stämme zu sehen ist, so daß Widukinds Nachricht der Thietmars: omnes rei publicae ungefähr entspricht. F59 Da folglich nur eine Wahl exi ­stiert, kann man nicht von einer »Vorwahl« durch Franken und Sachsen sprechen, son­dern von der bestimmenden Wahl.

3.2.1. Welche Kandidaten standen bei der Wahl zur Disposition ?

Thronanwärter waren nahezu auf die Königssöhne beschränkt. »Ein unanfechtbares Anrecht auf die Nachfolge in der Hausherrschaft hätten keineswegs alle Agnaten, son ­dern nur die Königssöhne besessen.« F60  Jedoch wirkt wohl auch noch der Idoneitätsge ­danke mit,da die »Vorraussetzung für die Anerkennung des Erbanspruchs in der Wahl [...] also die Eignung des zu Wählenden« F61ist.

Wenn man diese Eingrenzung der Kandidatenauswahl beachtet, bleiben nur noch Otto und sein Bruder Heinrich, der ungefähr 15 war (also bereits wahlfähig), übrig.

Denn der jüngste Bruder Brun war bereits früh für den geistlichen Stand bestimmt ge ­wesen. F62 Thankmar, der älteste Bruder, war »aus der Ehe mit Hatheburg, die der Kirche freilich als illegitim galt« F63, wurde deswegen wahrscheinlich gar nicht in Betracht ge ­zogen.

Heinrich stand wirklich zur Auswahl, da es »am königlichen Hofe eine starke Partei (gab),  die sich für Ottos jüngeren Bruder Heinrich einsetzte, weil dieser schon in der  Regierungszeit seines Vaters geboren, in aula regia natus sei. F64 Man sieht, daß es also eine wirkliche Auswahl bei den Thronanwärtern gab, zwischen denen durch Wahl entschieden werden konnte.

3.2.2. Vorverhandlungen vor der Wahl im Jahre 936

Wie ausführlich die Verhandlungen waren, liegt weitgehend im Dunkeln, da »uns keine Quelle darüber Auskunft gibt, wo die entscheidenden Verhandlungen stattgefunden haben, die zur Einigung auf Otto führten«. F65 Es ist noch nicht einmal eindeutig, ob die entscheidenden Verhandlungen noch mit Heinrich oder bereits nach seinem Tod statt ­fanden. Wenn die Entscheidung bereits in den Verhandlungen mit Heinrich geschah, dann wären die nach seinem Tode erfolgten »Wahlen« keine echten Wahlen, sondern nur Proklamationen des neuen Königs gewesen. F66 Jedoch waren die Verhandlungen scheinbar gar nicht darauf ausgerichtet, in eine breitere Öffentlichkeit zu dringen. F67

Beteiligt an den Verhandlungen waren wohl die Großen des Reichs. »Ohne Zweifel doch die höchsten und einflußreichsten  weltlichen und geistlichen Würdenträger, allen Adligen voran die Stammesherzöge und an der Spitze der Kirchenfürsten die Metropo ­liten. [...] Denn hätten sie nicht seiner Designation zugestimmt, ja hätten sie diese nicht mitvollzogen, so wären sie gewiß nicht nach Aachen gekommen, um dort zu vollenden und zu feiern, was bereits vorher feststand: die Thronfolge Ottos I.« F68

3.3. Die Königserhebung Ottos in Aachen 936

Die Königserhebung fand am 7. August in Aachen statt. Durch die Auswahl des Ortes Aachen wurde die Königserhebung Ottos bewußt in die Tradition Karls des Großen ge ­stellt. F69 Zuerst »versammelten sich die Herzöge und die Ersten der Grafen mit der Schar der vornehmen Ritter [...]; hier huldigten sie ihm, gelobten ihm Treue und versprachen ihm Hilfe gegen alle seine Feinde und machten ihn so nach ihrem Brauche zum Köni ­ge.« F70 Außerdem wurde durch Heben der rechten Hand, die Wahl Ottos durch das om ­nis populus bestätigt. F71 Weitere Teile der Zeremonie waren »dann, wie Widukind aus ­führlich beschreibt, die Bekleidung Ottos mit den Insignien, seine Salbung und Krö­nung und schließlich seine Inthronisation auf dem Thron Karls des Großen. Und im Anschluß daran habe schließlich das Krönungsmahl stattgefunden.« F72

Im Münster zu Aachen fand allerdings keine Wahl mehr statt. »Was dort stattfand, war der feierliche Staatsakt, der dem Ganzen noch die höchste Weihe zu geben hatte. F73 Mitteis sieht hier den Endpunkt der »Kettenhandlung«, nämlich »die Erklärung des Wahlwillens, durch die der Wahlbeschluß erst rechtswirksam werden konnte. F74

3.4. Handelte es sich um eine freie Wahl oder Akklamation ?

Um diese Frage zu beantworten, müssen die Begriffe  ´freie Wahl´ und ´Akklamation´ genauer geklärt werden. Der Begriff der ´Akklamation´ umfaßt den Bereich der »Kö ­nigswahl«, »in denen die entscheidende Auswahl nicht von einer Wählergruppe, son­dern von dem noch lebenden König selbst getroffen wird. Das ist die Designation. Sie enthält die Entscheidung des Königs, wer aus der königlichen Sippe sein Nachfolger werden soll.« F75 Dieser Wahlvorschlag sei bei Sohnesnachfolge ein bindender gewesen und eine Nichtfolgeleistung wäre eine schwere Pflichtverletzung gegen den König; bei Sohneswahl ist sie geradeszu eine »befohlene Wahl«. F76 Aber auch »gegen einen Befehl ist nach germanischer Rechtsauffassung ein Widerstandsrecht gegeben, wenn dieser gegen das Recht verstößt. Und daß sich die Anhänger Heinrichs in ihrem Rechtsbe ­wußtsein verletzt fühlten,« F77 sagt Liutprand ganz deutlich. F78 Bei der ´freien Wahl´ geht die Initiative bei der Kandidatenauswahl jedoch von den wirklichen Wählern aus. F79

Die Anhänger Heinrichs bewiesen jedenfalls, »daß  die königliche Designation für sich nicht imstande war, klare Rechtsverhältnisse zu schaffen. Nicht Ottos Machtanspruch, sondern der Wille der Wähler, die die Oppositionspartei zurückdrängten und sich für Otto entschieden, also eine »Auswahl« vollzogen und den ungeeigneten Kandidaten ausschieden, gaben den Ausschlag.« F80 In diesem Sinne erwähnt auch Lintzel, daß es allgemein üblich war nach Geblütsrecht zu designieren, die letzte Entscheidung jedoch die Wahl hatte. F81

So scheint es, daß trotz starker Vorprägung zugunsten Ottos, die bereits 927 begann und die Großen des Reichs stark einbezog, es in diesem Falle wohl eine ´freie Wahl´ war, da bei gravierender Änderung der Rahmenbedingungen, prinzipiell auch die Wahl zugunsten Heinrichs nicht ausgeschlossen war. Wenn jedoch die entscheidenden Ver ­handlungen bereits vor dem Tod Heinrichs abgeschlossen waren, ist eine Akklama­tion wesentlich wahrscheinlicher. F82

4. Auswirkungen der Königserhebung Ottos I. auf die folgende Zeit

In der Tronfolge Ottos fand eine wesentliche Neurerung statt. Sie »bestand darin, daß Otto das Königtum nicht mit seinen ebenbürtigen Brüdern zu teilen hatte, wie dies un ­ter solchen aus dem Geschlechte der Karolinger der Fall gewesen war.« F83 Daß diese Neuerung sich erst langsam durchsetzte, zeigt sich bei Widukind als auch Hrothsvith, da beide »Otto lediglich eine Vorrangstellung in der Brüdergemeinschaft zubilligen, aber im Prinzip daran festhalten, daß das Reich von den Söhnen Heinrichs I. gesamt ­händerisch verwaltet« F84 wird. So lassen sich die lang währenden Aufstände der beiden Brüder Thankmar und Heinrich so deuten, daß zumindest die drei ersten Verschwörun ­gen gegen Otto den Großen [...] Reaktionen auf angebliche oder tatsächliche Verstöße gegen das geltende Erb- und Anwachsungsrecht« F85 waren. Diese neue Art der Thron ­folge war »insofern epochemachend, als sie die im Frankenreich bis dahin übliche Kö­nigsherrschaft des corpus fratrum nicht fortführte.« F86

Literaturverzeichnis:

Primärliteratur/ Quellen:

Sekundärliteratur:


F1Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, unter Benützung d. Übers. von Paul Hirsch, neu bearb. von  Albert Bauer u. Reinhold Rau, 2. durchges. u. berichtigte Aufl., Darmstadt 1977. (=Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalter; Bd. 8), S. 3f.

F3Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, S. 5.

F4Ebd. S. 7.

F6Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, S. 8.

F10Ebd. S. 235.

F11Ebd. IV. 1, S. 405

F12Ebd. S. 237.

F14Ebd. S. 284.

F15Keller, Widukinds Bericht über die Aachener Wahl und Krönung Ottos I. , S. 432.

F19Laudage, Hausrecht und Thronfolge, S. 50.

F22Ebd. S. 80f.

F23Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen, S. 125.

F25Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen, S. 101.

F26Keller, Widukinds Bericht über die Aachener Wahl und Krönung Ottos I. , S. 393 f.

F27Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen, S. 102.

F28Laudage, Hausrecht und Thronfolge, S. 24.

F31Keller, Widukinds Bericht über die Aachener Wahl und Krönung Ottos I. , S. 391 f.

F32Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen, S. 102.

F33Vgl. mit Kapitel 4.

F34Keller, Widukinds Bericht über die Aachener Wahl und Krönung Ottos I. , S. 390.

F35Keller, Widukinds Bericht über die Aachener Wahl und Krönung Ottos I. ,S. 391.

F37Laudage, Hausrecht und Thronfolge, S. 29.

F39Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen, S. 121 f.

F40Ebd. S. 123.

F43Laudage, Hausrecht und Thronfolge, S. 54.

F44Keller, Widukinds Bericht über die Aachener Wahl und Krönung Ottos I. , S. 437.

F45Vgl. mit Kapitel 2.2.

F46Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen, S. 123.

F48Laudage, Hausrecht und Thronfolge, S. 51 f.

F49Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen, S. 125.

F50Vgl. mit Kapitel 2.2.

F51wie aus Kapitel 2.2. hervorgeht.

F53Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen, S. 87.

F55Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen, S. 89.

F56Holtzmann, Geschichte  der Sächsischen Kaiserzeit, S. 109.

F60Laudage, Hausrecht und Thronfolge, S. 27.

F62Vgl. mit Kapitel 2.2.

F63Holtzmann, Geschichte  der Sächsischen Kaiserzeit, S. 104.

F65Mitteis, Die Krise des deutschen Königswahlrechts, S. 274.

F68Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen, S. 92.

F69Holtzmann, Geschichte  der Sächsischen Kaiserzeit, S. 111.

F71Ebd. II, 1. S. 87.

F79Rörig, Geblütsrecht und freie Wahl in ihrer Auswirkung auf die deutsche Geschichte, S. 76.

F82Vgl. mit Kapitel 3.2.2.

F83Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen, S. 81.

F84Laudage, Hausrecht und Thronfolge, S. 65.

F85Laudage, Hausrecht und Thronfolge, S. 59.

F86Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen, S. 81.